Bauchgefühl, Bauchgefühl, gefühlt überall taucht gerade der Begriff in meinem Umfeld auf. Doch was ist das? Kann man wirklich darauf vertrauen? Kann es einen auch täuschen? Sollte man daher vorsichtig sein? Wie kann man zu einem guten Bauchgefühl kommen? Fragen über Fragen. Ich will versuchen, sie zu beantworten.
Bereits in meinem Artikel „Der Bauch spinnt doch!“ habe ich mich mit dem Bauchgefühl auseinandergesetzt und Tipps aufgeschrieben: Was also tun, wenn sich der Bauch meldet? Das ist schon mal ein Ansatz.
Was ist Bauchgefühl?
Neulich habe ich in einer Fernseh-Dating-Show von einer Kanditatin immer wieder als Begründung, warum es mit dem Mann nicht klappt gehört: Das sagt mir mein Bauchgefühl. Sie hat es allerdings, auch auf starker Nachfrage nicht erklären wollen, was sie damit meint. Im Anschluß fanden sich dann noch 2 weitere Frauen, die das auch hörten dieser Begründung angeschlossen. Somit war der Fall erledigt für sie. Die Männer blieben ratlos zurück und die Frauen brauchten nicht Stellung beziehen.
Mich hat das furchtbar geärgert. Nicht aus Partei den Männern gegenüber sondern weil es von mangelnder Klarheit und vor allem Offenheit zeugt. Die Frauen haben den einfachsten Weg gewählt. Und ich habe mich die ganze Zeit gefragt, warum sie nicht die „Wahrheit“ sagen. Klar, es ist schwer zu sagen: er ist mir zu dick, zu dünn, zu groß, zu klein, zu blond, nicht schön genug, nicht intelligent genug, nicht reich genug…
Wer möchte schon so oberflächlich rüberkommen? Und sich so outen mit der Wahrheit? Klar es wäre ehrlich, aber es verletzt den Anderen. Zudem steht man mit Offenheit auch oft allein da. Und das möchte man eben nicht. So haben viele Menschen gelernt, daß persönliche Wahrnehmung, Ehrlichkeit oder seine wahren Gefühle zurückhalten besser ist, um weiter gemocht zu werden.
Aber es führt zu einer Verklärung des Bauchgefühls. Denn es war sicher ein komisches Gefühl im Bauch, weil die gedanklichen Vorstellungen vom idealen Partner andere waren. Aber die Frauen haben das Bauchgefühl meiner Meinung nach falsch interpretiert. Und genau das ist das Gefährliche. Für ein gesundes Bauchgefühl braucht es einen klaren, offenen Blick auf sich selbst. Nur wer alle seine eigenen Glaubenssätze, Stärken und Schwächen, aber auch die eigenen Bedürfnisse kennt, kann seinem Bauchgefühl wirklich trauen!, sage ich.
Bauchgefühl = Intuition eine eingebungsartige, nicht durch Erfahrung oder Überlegung, sondern durch unmittelbares Erfassen des Wesens einer Wirklichkeit gewonnene, der Offenbarung ähnliche Einsicht (Inspiration) Dorsch-Lexikon
Wer also völlig natürlich ohne viel Bewertung instinktiv entscheidet, hat ein gutes Bauchgefühl. Doch genau hier liegt oft das Problem. Unsere Erfahrungen haben viele von uns gelehrt, anders zu handeln, als uns der Bauch das sagt.
Was beeinflußt unsere natürliche Intuition?
Als Kind ist man rein, hat noch nicht viele negative Erfahrungen gemacht und handelt, wie man fühlt. Wenn ein Kind traurig ist, weint es. Und wenn es wütend ist, schreit es, wirft sich schon mal zu Boden. Letztlich tanzt und singt das kleine Kind, wenn es sich freut und glücklich ist. Wie wunderbar. Ein Kind fühlt und handelt aus dem Bauch, aus der Wahrnehmung heraus. Und dann kommt die Erziehung ins Spiel.
Ein Kind erlebt dann schon mal mehr oder weniger, daß seine Wahrnehmung und die Wahrnehmung seiner Eltern nicht übereinstimmt. Daraus entsteht ein Konflikt, der für ein Kind schwer zu ertragen ist. Es ist vielleicht traurig und dann sagt ein Elternteil: „Du brauchst nicht traurig sein!“ oder „Jungs weinen nicht!“
Meist entscheidet das Kind dann, daß seine Intuition falsch ist. Denn nur so kann die Wahrnehmung seiner Eltern richtig sein. Es vertraut auf die Eltern. Das ist enorm wichtig für ein Kind, es braucht Verlässlichkeit. Und schon ist das Bauchgefühl beeinflußt.
Wenn Eltern zudem gelernt haben, ihre eigenen Gefühle stark zu unterbinden, weil sie eben Angst und Schmerz nicht spüren wollen, färbt das oft auf die Kinder ab. Die unterdrückten Gefühle werden nämlich trotzdem wahrgenommen. So spürt ein Kind, wenn der Vater wütend ist und wundert sich, warum er nicht rumbrüllt sondern immer ruhiger wird. Wahrnehmung und das Handeln passt also nicht zusammen. Und wieder bekommt das Bauchgefühl eine Beeinflussung.
Auch persönliche Krisen beeinflussen
Weitere Einflussfaktoren sind Stress und depressive Phasen bzw. Depressionen. Sie führen nicht nur zu chronischen Schmerzen, wenn sie lange anhalten. Sie sorgen auch dafür, daß unsere Wahrnehmung beeinflußt ist. Menschen befinden sich in diesen Krisenzeiten wie im Tunnel. Sie können die Umgebung nicht mehr in voller Pracht wahrnehmen. Durch tiefe Traurigkeit ist zudem der Blick zusätzlich eingeengt. Menschen in dieser Situation sollten auch vorsichtig mit dem Bauchgefühl sein.
Viele Therapeuten raten ab, in Krisensituationen wichtige Lebensentscheidungen zu treffen. Meist denkt der Betroffene, daß sich alles richtig anfühlt, es ist aber eine eingeschränkte Wahrnehmung.
Auch Menschen, die durch ihrer Erziehung sehr kopflastig geworden sind, haben Probleme mit dem Bauchgefühl. Sie durchdenken lieber alles und entscheiden dann. Ein aufkommendes Bauchgefühl sorgt dann eher für ein Gefühl von Angst und Sorge und diejenigen denken noch mehr auf ihrer Entscheidung herum. So wird jedes Bauchgefühl nach und nach verklärt.
Wie lernen Sie wieder, Ihrem Bauchgefühl zu vertrauen?
Die gute Nachricht ist, man kann wieder lernen, seinem Bauchgefühl zu vertrauen. Und genau, Vertrauen lernen ist hier der Weg. Doch Vertrauen ist ein Lernprozess. Lernen geht nicht von heute auf morgen. Zudem gibt es keine Anleitung, für ein gutes Bauchgefühl. Was ist richtig, was ist falsch? Die Definition muß leider jeder für sich selbst festlegen.
Gerade in Krisen und Krankheiten benötigt man zudem jemanden, der einem erst einmal die eigene Wahrnehmung bestätigt bzw. die blinden Flecken oder toxische Glaubenssätze aufzeigt. Das findet man nicht allein. Der Betroffene ist meist so verstrickt, daß es eine gesunde Sicht von außen im ersten Schritt auf die Dinge braucht.
Ist das denn wirklich wirklich wahr?
Viele Menschen, die das jetzt lesen, sagen sofort das ist The Work of Byron Katie. The work ist ein Weg, die aufsteigenden Gedanken zu identifizieren und zu hinterfragen. Es ist ein Weg, die Verklärungen aufzulösen und inneren Frieden und so wieder ein gesundes Bauchgefühl zu finden. Jeder, der einen offenen Geist hat, kann The Work machen.
Hier nur kurz die Fragen angerissen. All jene, die es probieren wollen, sollten sich intensiver damit auseinandersetzen. Aber vielleicht versuchen Sie es einmal, wenn ein Gedanke, Sie nicht mehr loslässt:
- Ist das wahr?
- Kannst du mit absoluter Sicherheit wissen, dass das wahr ist?
- Wie reagierst du, was passiert, wenn du diesen Gedanken glaubst?
- Wer wärst du ohne den Gedanken?
Jetzt kehre die Aussagen um und finde mindestens drei echte Beispiele für jede Umkehrung.
Neue Wege probieren
Später, nach guten Erfahrungen können Sie nach und nach selbst immer mehr Ihr Bauchgefühl trainieren. So können Sie beispielsweise einfach einmal probieren und dem Bauchgefühl nachgeben und mal
- anders abbiegen als gewohnt
- etwas Neues probieren
- einfach jemanden Nettes auf der Straße ein Kompliment machen oder ansprechen
- sich aus der Einsamkeit heraus begeben und jemanden zum Kaffee einladen
- Trost bei jemanden suchen
- nach einer Aktion innehalten und nachspüren – was fühle ich jetzt?
- etwas Neues ausprobieren: Theater, spazieren, Sport, backen, Kochkurs
- Kinder beobachten, wie sie spielen,
- sich erinnern, was Sie mal so richtig gern gemacht haben und es jetzt wieder tun
- Wolken beobachten – Bilder suchen
- Meditieren ausprobieren
Auf die Sprache und die eigenen Gedanken, Erwartungen achten
Unsere Gedanken steuern unsere Gefühle. Wir sprechen, was wir denken. Also seien Sie vorsichtiger, wie Sie Dinge formulieren. Fluchen Sie vielleicht sehr oft? Oder haben Sie schon mal negative Kommentare zu dem, was andere machen?
Gedanken haben große Macht in unserem Körper, denn es sind elektrische Impulse im Gehirn mit großen Kräften. Und eben auch auf unser Bauchgefühl. Wenn wir ständig negativ denken, hat das auch Einfluß auf unsere Intuition, denn wir erleben dann auch viel Negatives. So entsteht ein negatives System.
Also achten Sie darauf, wie Sie formulieren. Es geht nicht darum, das Offensichtliche schöner zu formulieren sondern darum, ob Sie alles aus einer negativen Sicht äußern. Denken Sie an die Fernsehshow oben. Die Frau hat sich von ihren negativen Gedanken beeinflussen lassen und um nicht die Wahrheit sagen zu müssen hat sie sich auf das Bauchgefühl berufen. Prüfen Sie, ob Sie Situationen wirklich richtig wahr nehmen. Nehmen Sie sich lieber Zeit und sagen Sie dann in Ruhe, was in Ihnen vorgeht. Gut sind da Formulierungen wie:
- ich habe das Gefühl..
- in mir regt sich ein Widerstand..
- ich spüre..
- irgendwas fühlt sich komisch an..
Es ist kein Problem, wenn Sie Unsicherheiten oder Verstimmungen formulieren. Vielleicht lässt es sich dann durch ein Gespräch klären oder die Argumente entkräften. Ich hätte mir für die Kandidatin gewünscht, daß Sie gesagt hätte, ich hab mir eine starke Persönlichkeit gewünscht und benannt, was sie sich darunter vorstellt. Das lag nämlich hinter dem „Bauchgefühl“, eine andere Erwartung.
Schützen Sie sich vor Stress
Nein, jetzt kommen nicht die Dutzend Ratschläge, was Sie gegen Stress tun können. Das können Sie in vielen Ratgebern, ja auch bei mir lesen. Mir ist wichtig, daß Sie beim Training Ihres Bauchgefühls auch darauf achten, was Ihnen Stress macht.
Schauen Sie sich die Situationen, aus denen Sie gestresst herauskommen, genau an. Was macht Ihnen Stress?
- Gibt es Irgendwelche stressauslösende Sätze?
- Sind es bestimmte Handlungen von anderen?
- Wie verhalten Sie sich in dieser Situation?
- Was sind für Sie mögliche Auslöser?
Es geht wieder darum, genau hinzuschauen. Mir ist wichtig, daß Sie Ihren Anteil an der jeweiligen Situation anschauen. Warum handeln Sie in manchen Situationen, wie Sie bisher handeln?
So kann es gehen..
In den letzten Tagen hatte ich einen Konflikt mit einem guten Freund, der in mir erst Stress auslöste. Nach dem ersten Schock über den unerwarteten Streit habe ich mich zurückgezogen und gefragt, was war mein Anteil? Warum habe ich plötzlich dieses komische Bauchgefühl gehabt. Was war es genau? Spüre ich Wut oder Angst oder..?
Bei mir war es erst Wut. Doch dann entdeckte ich, daß er mich genau an einer Stelle getroffen hatte, wo ich selbst bisher immer an mir gezweifelt habe. Seine Worte sind also auf eine alte Wunde gefallen. Durch die Klärung konnte ich mich erneut dem Thema stellen und eine Haltung für mich entwickeln. Im Klärungsgespräch ein paar Tage später war die Wut weg und ich konnte berichten, was er ausgelöst hatte bei mir. Ich konnte also ganz bei mir bleiben. Und jetzt darf er sich seinen Anteil anschauen, wenn er möchte. Es hat aber nichts mehr mit mir zu tun.
Ein schönes Fazit für Sie, ein Satz, den ich Ihnen schenke:
Ich darf mir trauen. Es ist richtig, was ich fühle und ich darf es offen äußern.
Brauchen Sie gerade einen unbeteiligten Dritten, der Ihnen zuhört und mit Ihnen gemeinsam Klärung findet? Gern können wir im 3-Stunden-Coaching darüber sprechen. Buchen Sie hier ein kostenfreies Vorgespräch.
Foto: gratisography-94H