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Gerade in schwierigen Situationen wünscht sich jeder Trost von anderen. Depressionen, tiefe Traurigkeit oder Burnout sorgen für gedrückte innere Stimmung. Doch viele Angehörige oder Menschen aus dem Umfeld können damit nicht umgehen. Sie hoffen, durch gutgemeinte Ratschlägen und Tipps die Stimmung aufzuheitern. Doch leider geht das dann nach hinten los.

Die Unsicherheit der anderen

Wenn wir traurig, hilflos und völlig überfordert mit einer Situation sind, brauchen wir Trost. Was wir uns in Momenten von anderen wünschen sind nicht etwa oberflächliche, aufmunternde Worte. Wir brauchen vom anderen Verständnis und ein offenes Ohr. Wir wollen spüren, daß der andere mit uns fühlt.

Doch die meisten Menschen spielen dann lieber die Situation herunter. „Es wird schon wieder gut!“, „Ist doch alles nicht so schlimm!“ oder „Alles wird gut!“ kommen dann wie aus der Pistole geschossen. Manchmal denken wir fälschlicherweise, dass wir so helfen, die Last des anderen zu erleichtern. Doch leider verleugnen wir so die legitimen Gefühle des anderen. Das Schlimmste daran ist, daß wir so versuchen, unser eigenes Gefühl von Frieden beizubehalten. Die eigene Unsicherheit versuchen wir so zu verbergen.

Einer guten Bekannten geht es gerade sehr sehr schlecht. Sie ist leider unheilbar krank. Die Situation macht mich sehr hilflos. Ich wünsche mir so sehr, daß es wieder gut wird, doch das wird es leider nicht. Am Liebsten würde ich alles in Bewegung setzen, um irgendwie zu helfen. Doch, das hilft nicht. Es hilft eben nur Trost. Kein Mitleid, nein Trost – da sein, zuhören. Ich versuche, ihr positive Energie zu schicken. Aber, ich bleibe mit meiner Unsicherheit zurück. Einfach nur da sein und nichts tun zu können, ist eben schwer auszuhalten.

Ratschläge sind auch Schläge

Nur da zu sein ist für viele Menschen eine echte Überforderung. Wir sind all zu oft im Modus, etwas tun zu müssen. Unser Antrieb ist, daß wir helfen wollen. Wir wollen, daß der andere Mensch aus seinem Tief herauskommt. So haben wir viele Weisheiten parat, wie das am Besten geht. Doch ist das hilfreich?

Trost

  • „Reiß Dich mal zusammen!“
  • „Das wird schon wieder!“
  • „Geh doch mal wieder unter Leute!“
  • „Wenn Du wieder Struktur im Leben hast, wird alles gut!“
  • „Sport hilft bei Depressionen!“
  • „Häng nicht so rum!“
  • „Tue doch endlich etwas!“
  • „Wenn Du nur das und das machst, wird das schon!“

Mit jedem Ratschlag zeigen wir dem anderen, wie unfähig er gerade ist. Denn so fühlt es sich in dem Moment an. Mit der vermeintlichen Hilfestellung überfordern wir den Betroffenen total. Er ist eh schon im Loch und jeder Ratschlag erzeugt nicht Trost sondern Druck. Daher frage ich meine Klienten im Coaching auch, ob ich ihnen einen Ratschlag geben darf. Und nur nach Erlaubnis, gebe ich ihn dann auch.

Denn viele dieser „gut gemeinten“ Ratschlägen nützen in der Situation nichts. Der Betroffene kann sie nicht hören und es belastet nur. Bei vielen Tipps wissen Betroffene sogar, daß sie eine angemessene Lösung für das Problem wären. Das muss ihnen niemand sagen. Woran es aber in solchem Moment mangelt, ist die Kraft, diese Maßnahmen umsetzen zu können. Das sollten die anderen verstehen.

Warum Trost so wichtig ist

Trost spenden bedeutet, eine warmherzige und liebevolle Begleitung, Respekt und mentale Unterstützung anzubieten.

Jemand, der von einem Schicksalsschlag getroffen wurde, möchte einfach nur ein offenes Ohr finden. Und das wünschen wir uns frei von jeglichem Urteil: Als ich damals von meiner Vermutung erzählte, daß ich wahrscheinlich Doping-Opfer bin, bekam ich viele gutgemeinte Aufmunterungen. Von „Kopf hoch, das wird schon wieder!“ und „Anderen geht es schlechter“ bis „Jetzt weißt Du es und nun geht es wieder aufwärts!“ Das war wirklich nicht das, was mir weitergeholfen hat. Es war sogar so, daß es mich noch tiefer in die Traurigkeit gestürzt hat, weil ich das Gefühl hatte, daß mich niemand versteht.

Ich hätte mir so sehr gewünscht, daß sich mein Gegenüber in meine Lage versetzt. Ich wollte Verständnis, liebevolle Worte und einfach nur in den Arm genommen werden. Ich war schon innerlich haltlos, also wünschte ich mir Halt von außen. Ich hätte mir ein ehrliches, offenes Ohr gewünscht. Einfach zuzuhören ist eben die beste Art, wie man einem Menschen, der leidet, Trost spenden kann. Doch auch im tiefsten Schmerz habe ich nach außen Stärke ausgestrahlt. So war es sicherlich für viele Menschen schwer, meine Haltlosigkeit und den Wunsch nach Trost und Umarmung zu sehen. Das weiß ich heute.

Wie Trost funktioniert

Jeder Mensch hat seine eigene Art, mit Schmerz umzugehen und Leid zu erleben. Die einzige Voraussetzung, um anderen Menschen Trost zu spenden, ist der generelle Wunsch, dies zu tun zu wollen. Es geht also bei Trost um eine Haltung des Akzeptieren und um Empathie.

Da sein

Wenn ein Mensch in einem emotionalen Tief steckt braucht er Menschen, die einfach nur für ihn da sind. Es reicht, den Betroffenen in den Arm zu nehmen, da zu sein und Verständnis auszudrücken. Man muss nichts weiter tun.

Zum Trost in die Arme nehmen

Wenn es etwas gibt, das jemanden wirklich trösten kann, dann ist es jemand, der den anderen in seine Arme nimmt. Es geht darum, den anderen mit der Kraft zu umarmen, die derjenige in dem Moment braucht. Umarmungen gehen unter die Haut. Sie ermöglichen es, uns in einem geschützten Raum verletzlich zu zeigen und wirklich Trost zu spenden.

Gerade ist eine Freundin in die Wohnung gegenüber eingezogen. Ein liebgewordenes Ritual ist seitdem, daß wir uns jeden Tag in den Arm nehmen. Oft merke ich dabei, wie sehr sie es gerade braucht und wie gut es ihr tun. Doch was noch viel wertvoller ist, auch mir tut es sehr gut. Wir sind eben soziale Wesen und brauchen Körperkontakt so sehr.

Eine Umarmung ist mehr wert ist als 1000 Ratschläge. Sie spendet Trost, auch wenn wir denken, wir brauchen ihn eigentlich gerade gar nicht. Außerdem bringen Umarmungen im Gegensatz zu Ratschlägen mit sich, daß sie Mauern einreißen und Vertrauen schaffen. Umarmungen sind wie eine Ruhepause. Umarmungen machen uns für einen Moment frei von der Last unserer Verantwortung. Danach fühlen wir uns freier und erleichtert.

Gefühl von „gemeinsam“ zeigen

Oftmals geht es in solchen Situationen darum, das Gefühl von Einsamkeit zu verstehen. Traurigkeit und Hilflosigkeit erzeugen innere Einsamkeit. Es reicht zu zeigen, daß der Betroffene nicht allein ist. Hilfreich ist der anderen Person zur Seite zu stehen. Wichtig ist nur, daß sie nicht das Gefühl von Allein-gelassen-werden haben.

Gerade dann, wenn er/sie versucht, alle wegzustoßen. „Keiner versteht mich!“ ist ein oft gehörter Satz bei Betroffenen. Oft führt es zu Hilflosigkeit beim Gegenüber und man zieht sich zurück. So erfüllt sich dann die Prophezeiung und er fühlt sich allein gelassen.

Klarheit schaffen

Manche Menschen möchten nicht über das reden, was passiert ist. Sie hoffen, daß der Andere ihr Schweigen einfach akzeptiert. Klärung ist hier also ganz wichtig. Fragen, ob Sie etwas für ihn tun können. „Was brauchst Du gerade?“ Reden, Schweigen, Umarmung, Ablenkung oder oder oder. Oft wissen die Betroffenen sehr genau, was ihnen in diesem Moment hilft.

Den Schmerz anderer ernst nehmen

Trost spenden ist wahrlich eine Kunst und bedarf es großer Sensibilität und Willensstärke. Es geht darum zu verstehen, wie wir einem Menschen, der leidet, Trost spenden können. Auch wenn wir es nicht zu 100% schaffen, uns in den anderen hineinzuversetzen ist es wichtig zu zeigen, daß dieser Schmerz uns nicht abschreckt. Es reicht zu zeigen, daß wir bereit sind, ihn als solchen zu akzeptieren.

Es ist nicht hilfreich die Situation des anderen mit eigenen Maßstäben zu beurteilen. Jeder Mensch hat ein ganz persönliches Empfinden von Schmerz. Für den einen ist einen Kleinigkeit schlimm, ein anderer leidet sehr stark und ein Dritter ignoriert erst einmal den Schmerz. Alles darf sein. Wir müssen es nicht verstehen, aber akzeptieren. Das eigenes Herz den Gefühlen und Bedürfnissen der anderen Person zu öffnen ist jetzt wichtig.

Den Trost in sich selbst finden

Oftmals sind Menschen wirklich allein mit ihrem Schmerz. Sie schaffen es noch nicht über das Ereignis zu reden oder haben vielleicht nicht so ein großes soziales Umfeld. Gerade dann ist es wichtig zu wissen, wie man sich selbst Trost spenden kann:

  • sich selbst verstehen – ich bin okay!
  • den Schmerz annehmen – es geht mir im Moment nicht gut und das fühlt sich furchtbar an!
  • einen Durchhänger zulassen – ich muss nicht immer funktionieren, mir darf es auch mal schlecht gehen!
  • einen Raum für Zweifel, Ängste und Traurigkeit für sich schaffen – alles darf mal sein!
  • Tränen zulassen – jede Träne will geweint werden und das ist okay!
  • lieb zu sich selbst sein (Selbstliebe) – ich nehme mich selbst in den Arm!
  • zu Ruhe kommen und die eigene Mitte wiederfinden (vielleicht mal eine Meditation probieren)
  • Schokolade setzt Glückshormone frei – das darf dann auch mal sein!
  • oder etwas anderes naschen, was man wirklich gern mag
  • versuchen die positiven Momente des Lebens wieder zu sehen – es gibt noch viel Gutes!
  • sich selbst Hoffnung geben, Mut zusprechen – ich komm da auch wieder heraus!

Trost spenden fühlt sich gut an

Schon immer war ich jemand, dem sich andere anvertraut haben. So auch im Schmerz. In den letzten Jahren kamen noch viele Menschen dazu, denn beim Coaching, aber auch in den Selbsthilfegruppen brauchen Menschen Trost. Durch meine Offenheit, aber auch das Zuhören und echtes Verstehen öffnen sich viele Menschen mit ihren Themen.

Viele Menschen müssen erst einmal reden und wünschen sich jemand, der einfach nur da ist und zuhört. Das bin ich gern. Auch weinen zuzulassen ohne etwas tun zu müssen oder können ist nicht immer leicht. Es fühlt sich trotzdem gut an, wenn ich spüre, daß ich nur durch mein Dasein und ein offenes Ohr jemanden weiter geholfen habe. Obwohl auch ich so manches Mal innerlich hilflos bin und mir einen Zauberstab wünsche, um Menschen wieder gesund zu machen, möchte ich nichts anderes mehr tun.