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Ja, die Überschrift provoziert, Mobbing ist nicht toll. Und doch, genau so empfinde ich es heute. Es hat mein Leben verändert und das positiv. Und, eins gleich noch vorweg: ich lehne Gewalt, ob verbal oder körperlich absolut ab. Ich möchte an meiner Geschichte zeigen, was Mobbing mit mir gemacht hat und was es ausgelöst hat. Und wie ich aus der Opferfalle kam. Ein Erfahrungsbericht.. 

Mobbing – eine grausame Situation

Mobbing: andere Menschen, in der Regel ständig bzw. wiederholt und regelmäßig, zu schikanieren, zu quälen und seelisch zu verletzen

Es ist bereits ein paar Jahre her. Ich hatte die Chance Karriere zu machen und in die erste Reihe zu wechseln. Doch aufgrund persönlicher Probleme habe ich mich dagegen entschieden. Deshalb habe ich meinen Mitkonkurrenten geraten, daß er die Position übernehmen soll, ich Stellvertreter bleibe und wir weiterhin so vertrauensvoll zusammenarbeiten. Für mich eine gedachte Win-Win-Situation.

Bereits ein paar Tage später begann allerdings mein Dilemma. Wir waren allein im Flieger nach Asien und die erste verbale Attacke kam. „Wie kannst Du das Essen in Dich hineinstopfen, meine Frau wiegt 55 Kilos und geht zum Abnehmen und Du frisst?“ Ich war sprachlos. Mit offenen Augen und Mund schaute ich mein Gegenüber an. Ich war nicht in der Lage darauf etwas zu antworten. Mir liefen die Tränen. Still zog ich mich zurück. Natürlich hat es niemand gehört, keine Zeugen.

Dann begann die Kontrolle. Ich entschied etwas in meinem Verantwortungsbereich, was ich schon immer verantwortete und plötzlich erfuhr ich, daß mir hinterher telefoniert und meine Kompetenz in Frage gestellt wurde. Zum Glück hatte ich einen guten Kontakt in meinem Umfeld und so erfuhr ich von der Manipulation. Trotzdem war ich nicht in der Lage, es anzusprechen, gar zu stoppen. Ich wurde trauriger und zog mich weiter zurück. Ich wusste keinen Rat und rutschte weiter und weiter ins Loch.

Das Mobbing wurde stärker

Jetzt kamen die Kollegen ins Spiel. Von Angesicht zu Angesicht war erst einmal alles okay. Doch ich spürte, wie hinter meinem Rücken getuschelt wurde. Auch mir sehr zugetane Kollegen verhielten sich immer zurückhaltender. Sie waren zwischen Chef und Stellvertreter gefangen und letztlich „siegte“ der Chef. Immer mehr Informationen gingen an mir vorbei. Manchmal stand ich da, alle wussten Bescheid, nur ich nicht. Ein elendiges Gefühl! Ich konnte aber da schon nichts mehr sagen, weinte in mich hinein.

Zeitgleich wurde ich krank. Eine Bronchitis nach der anderen kam. Ich ging zur Betriebskrankenschwester und sie gab mir Medikamente. Als ich regelmäßig kam, schlug sie ein Vermittlungsgespräch zwischen dem Mobber, mir und der oberen Führung vor. Da ich vorher immer als starke Persönlichkeit wahrgenommen wurde, waren alle überrascht, daß ich das Thema plötzlich so „groß aufzog“. Es wurde im Gespräch heruntergespielt. Mein Anspruch nach Informationen wäre zu groß und ich müsste mich mehr unterordnen. Niemand sah, was wirklich passierte. Sprachlos und traurig blieb ich zurück.

Die nächste Bronchitis kam. Es wurde so schlimm, daß ich nicht mehr sprechen konnte. Kein Wort kam mehr heraus. Unser Körper ist schon faszinierend. Ich konnte ihn aber damals nicht hören. Ein Antibiotikum nach dem anderen nahm ich ein. Doch es wurde nicht besser. Die Situation war unhaltbar. Wochenlang lag ich krank geschrieben auf der Couch, bewegungslos, grübelnd. Bis mein Arzt Urlaub hatte und ich zu seiner Vertretung musste. Die Ärztin sagte mir auf den Kopf zu: „Das ist keine Bronchitis! Sie haben ein Burnout und erste Anzeichen einer Depression sind da!“ Ich war schockiert. Traurig. Allein. Hilflos. Ich traute mich nicht, mit irgendjemand darüber zu sprechen. Bronchitis klang krank, Depression klang nach Versagen.

Mobbing machte mich hilflos

Meine Freunde wunderten sich, daß die unternehmungslustige, frohe und gesprächige Silke jetzt immer so traurig war. Ich spielte die Situation mit meinem Mobber herunter. Niemandem erzählte ich, was wirklich in mir vorging, wie traurig und hilflos ich tatsächlich war. Viele wurden wütend und sagten: „Wehre Dich!“, doch ich blieb kleinlaut zurück und weinte still. Einige erkannten mich nicht wieder und zogen sich langsam zurück.

Dann konnte ich nicht mehr. Ich suchte mir professionelle Hilfe. Ich bekam nach und nach Anleitungen, wie ich mit Situationen besser umgehen sollte. Doch, ich blieb traurig und krank. Ich konnte das Vermittelte nicht anwenden und verstummte komplett. Mit letzter Kraft bat ich meine Ärztin, etwas zu unternehmen. Wir zogen die Reißleine und ich ging in die Klinik. Heute weiß ich, dass das endlich der erste richtige Schritt für meine Gesundung war.

Meine Selbstanalyse

Warum konnte mir Mobbing passieren? Mir, der eigentlich starken Frau, die Karriere gemacht hat? Normalerweise hätte ich doch das Mobbing stoppen müssen. Ich hätte mich ihm in den Weg stellen müssen und NEIN sagen können.

Doch das ging damals nicht. Mein Gegenüber spürte, daß ich bewegungsunfähig war und mich nicht wehren konnte. Ich hielt also förmlich mein Gesicht hin und lud zur Gewalt ein. Und diese Erkenntnis ist kein Schuldeingeständnis!

Opfer – Täter – Täter – Opfer – Schuld?

Von außen ist es sicherlich einfach, den Täter und das Opfer zu benennen. Liebe Opfer vom Mobbing: Ihr seit nicht Schuld, Ihr seit nicht hilflos, Ihr könnt etwas tun und zwar für Euch. Was, das kommt gleich. Klar fühlt sich Opfersein nicht toll an, aber niemand muss Opfer bleiben. Meine Erkenntnis ist, daß Sprachlosigkeit nicht hilft, hier ist Reden Gold!

Dann ist doch aber der Täter Schuld. Er war verbal gewalttätig gegen mich. Wir suchen doch immer jemanden, der Schuld hat. Das macht es vermeintlich einfacher. Doch stimmt das so?

Gerade in der derzeitigen Diskussion um Mobbing in Schulen wird lautstark nach Maßnahmen geschrien. Die Schule soll etwas ändern. Die anderen sollen handeln. Die „Opfer-Schüler“ müssen vor den Mobbern geschützt werden. Die Mobber müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Für mich bleibt ein komisches Bauchgefühl. Denn das erscheint mir zu einfach. Mir fehlt eine reflektierte Aufarbeitung der kompletten Situation.

Die ganze Schuld ist beim Mobber und bei denen, die zusehen! Es ist einfach, ihn oder die Schulleitung zu beschimpfen. Jedoch ist es nicht so einfach. Schuldzuweisungen bringen niemand wirklich weiter. Es geht viel mehr um die jeweiligen Anteile der Beteiligten. Was habe ich getan und was war die Reaktion des Gegenübers und anders herum?

Mein Anteil – meine Chance

In der Therapie begann ich in Ruhe genau hinzusehen, was passiert ist. Ich war in einer persönlich schwierigen Situation und bot Angriffsfläche für das Mobbing. Ich verhielt mich nicht „normal“ sondern war schwach, was nicht meinem Naturell entspricht. Er erwartete eine Auseinandersetzung und ich zog mich demütig zurück. Ich konnte kaum noch klar kommunizieren, was ich wollte und was mir wichtig war. Daher forderte er mich weiter und weiter heraus. Die Art und Weise war unterirdisch, ganz klar. Doch ich hätte ihn stoppen müssen und ihn in die Schranken weisen müssen. Das ist ganz klar MEIN ANTEIL.

Zudem steckte ganz viel Wut in mir, alte Wut. Ich konnte sie aber nicht rauslassen, denn ich hatte gelernt, daß wütend sein nicht gut ist. Daher staute sich die Wut in mir und ich zeigte nur Tränen und Traurigkeit. Die Wut wurde von der Traurigkeit gefressen.

Mein Mobber spürte aber diese versteckte Wut. Ich war ein brodelnder Vulkan. Er reizte mich, damit ich diese Wut endlich mal rauslasse. Er provozierte und provozierte. Doch es gelang nicht. Ich ließ es nicht zu. Heute habe ich verstanden, daß wütend sein gesund und richtig ist. Nicht tobend wütend, sondern wütend, wenn Unrecht geschieht. Ich arbeite an dieser Wut und es befreit. Auch das war MEIN ANTEIL!

Natürlich ist es bei Kindern schwierig, an das zu kommen, was dahinter steckt. Ich empfehle wirklich professionelle Hilfe, speziell für Kinder, aber auch Hilfe für die Eltern. Geben Sie durch Zuwendung und Unterstützung Ihrem Kind ein gesundes Selbstvertrauen. Verständnis, Offenheit und Einfühlungsvermögen sind gefragt. Arbeiten Sie die Themen bitte in der gesamten Familie auf.

Was können Sie gegen Mobbing tun?

  • suchen Sie sich jemanden zum Reden
    • vertrauen Sie sich wirklich an
  • seien Sie ehrlich mit sich
    • kleinreden, runterspielen oder leugnen hilft Ihnen nicht
  • schreiben Sie auf, was passiert ist – Mobbingtagebuch
  • spüren Sie Ihren Emotionen nach
  • klären Sie Ihren Anteil
    • nehmen Sie professionelle Hilfe dazu an
    • schauen Sie wirklich genau hin
    • reflektieren Sie Ihr Verhalten
    • Was war Ihre Reaktion, Gegenreaktion?
  • lernen Sie NEIN-STOPP-HÖRAUF-Sagen
  • machen Sie es offiziell
    • beziehen Sie Betriebsrat, Vertrauenspersonen mit ein
  • nehmen Sie sich Zeit
    • Jeder geht in seinem eigenen Tempo. Schnell ist nicht die Lösung.
    • es geht nur Step by step

So können Sie das Gegenüber im Mobbing stoppen und Nein sagen lernen. Es entsteht ein gesunder Umgang mit sich selbst und so auch miteinander.

Selbstreflektion, Dankbarkeit und Verzeihen

Ich habe das Mobbing für mich in all den Facetten aufgearbeitet und alle Seiten, vor allem meine Anteile betrachtet. So war es mir auch möglich, die Situation ohne Groll und Traurigkeit zu betrachten. Heute kann ich es so sehen: Mein Mobber ist ein Arschengel: er war brutal zu mir, daher „Arsch“, doch er hat letztlich bewirkt, daß ich mich mit mir auseinandersetze, daher ein Engel.

Heute bin ich froh, daß all das passiert ist und dankbar für die Erfahrung. Ich konnte viele Dinge aufarbeiten und bin innerlich ein ganz anderer Mensch geworden: klar, selbstsicher und reflektiert. Nach vielen Meditationen gelang es mir sogar, meinem Mobber zu verzeihenEs gehört viel dazu die Seite des Mobbers zu sehen und zu verstehen warum alles so passiert ist. Verzeihen ist wirklich die große Kunst. Doch es ist so entscheidend. Nur so gelingt letztlich der Abschluss.

Jetzt habe ich es geschafft und alles ist für mich verarbeitet. Und darüber bin ich sehr froh. Es hat aber auch seine Zeit gebraucht. Das geht eben nicht von heute auf morgen. Inzwischen habe das „Erlebnis“ Mobbing und ihn losgelassen und wünsche ihm Glück.

Es hat sich so viel in meinem Leben verändert. Heute ist es bunter, gelassener, fröhlicher und ich freue mich auf jeden einzelnen Tag und jede Begegnung. Auch, wenn mal etwas Unangenehmes passiert, versuche ich in gleicher Weise genau hinzusehen und zu erkennen, was ich gerade lernen darf. Mein gesamter Weg hierhin war bestimmt NIE leicht. Durch das Mobbing kam ich in die Lage, mich mit mir auseinander zu setzen. Das hat mir auch bei der Verarbeitung des Zwang-Doping geholfen.

All das war das Beste, was mir passieren konnte.

Wer mehr über meine Gedanken zum Mobbing bzw. Bossing hören möchte, hier bin ich im Podcast vom Andrea Domenig dazu interviewt worden: #20: Silke Loers: Bossing

Ich wünsche Ihnen, daß Sie das auch bald genau so sehen können. Wenn Sie mich brauchen, bin ich gern für Sie da! Schauen Sie doch gleich nach einem Termin für unser Vorgespräch.